Bildcredit:
Karsten Winegeart/Unsplash.com
ChatGPT: So kannst du einen Trainingsplan erstellen
Bildcredit:
Karsten Winegeart/Unsplash.com
Fitness/28.03.2023

KI in den Kinderschuhen – wie hilfreich sind Trainingspläne von ChatGPT & Co?

Wir benötigen Ihre Zustimmung, um die Bewertungsfunktion zu aktivieren!

Diese Funktion ist nur verfügbar, wenn eine entsprechende Zustimmung erteilt wurde. Bitte lesen Sie die Details und akzeptieren Sie den Service, um die Bewertungsfunktion zu aktivieren.

Bewerten
Merken

Auch wenn Fitness-Influencer*innen gerade mit ChatGPT durchstarten ist der Hype überhaupt gerechtfertigt? Ersetzt KI wirklich den Personal Trainer? Expert*innen warnen davor, sich zu sehr auf den virtuellen Coach zu verlassen noch. ISPO.com hat aber auch Gründe gefunden, die mehr denn je für digitale Trainingskonzepte sprechen.

„Ich glaube nicht, dass Trainer*innen grundsätzlich ersetzt werden können“, ist sich Prof. Dr. Alexander Asteroth sicher. Er ist einer der Autoren der KI-Studie des Bundesinstituts für Sportwissenschaft. „Künstliche Intelligenz stellt vielmehr Werkzeuge bereit, um Trainer*innen zu unterstützen bei ihrer Arbeit. Im Bereich Trainingsplanung macht die KI Vorhersagen über mögliche Leistungsentwicklungen auf Basis von Training. Diese können richtig sein. Aber auch vollkommen falsch.“

ChatGPT beispielsweise entwickelte sich nach seiner Veröffentlichung im November 2022 blitzschnell zu einer Art Synonym für künstliche Intelligenz. Mithilfe dieser beantwortet der Chatbot innerhalb von Sekunden die unterschiedlichsten Fragen: beispielsweise „Was ist HIIT?" oder „Wie trainiere ich für einen Marathon?“. Ohne großen Aufwand kann jede*r nach der kostenlosen Registrierung auf https://chat.openai.com/ menschenähnliche Konversationen führen.

Der Chatbot beantwortet die Fragen in beachtlicher Schnelligkeit und klarer, schnörkelloser Sprache. Damit erspart dieser das Durchsuchen diverser Websites, die etwa Google anbietet. Auch bei etwas präziser gestellten Folgefragen zum gleichen Thema liefert die gehypte KI ausführliche Antworten, die Informationen werden klar und strukturiert aufbereitet. Das System wird mit Daten aus Websites, Wikipedia-Einträgen und Büchern gefüttert, sodass es teilweise ziemlich brauchbare Antworten liefert. Allerdings hat die KI Grenzen und zeigt Schwächen, wenn es um individuelles, sportliches Training geht.

KI: Unterstützung für Trainer*innen

Prof. Dr. Alexander Asteroth erklärt, warum die KI bei der Interpretation von Trainingsdaten manchmal falsch liegt: „Ganz plakativ könnte man, wenn man sich Daten anschaut, zu dem Ergebnis kommen, dass mehr Training zu einer stärkeren Leistungsentwicklung führt. Nach dem Motto: Viel hilft viel. Vereinfacht dargestellt könnte eine KI daher Trainingspläne erzeugen, die möglichst umfangreich und intensiv sind. Daraus könnten aber ein übertriebenes Training und Verletzungen resultieren“, warnt Asteroth. Sein Fazit: „Man muss das, was die künstliche Intelligenz vorschlägt, immer wieder kritisch hinterfragen. Und dafür braucht es Sachverstand. Und diesen bringen üblicherweise – echte – Trainer*innen mit.“

Trainingspläne für Radsport und Fitness

Des Weiteren stellt Prof. Asteroth fest, dass es sich bei KI-Trainingspläne etwa im Radsport in der Regel lediglich um „modifizierte Standardpläne“ handelt, wie man sie auch in Büchern zur Trainingslehre findet. „Das hat möglicherweise mit Sicherheitsabwägungen zu tun. Die Hersteller lassen sich nicht in die Karten schauen, worauf genau deren Trainingspläne basieren: Handelt es sich wirklich um ‚maschinelles Lernen’ oder wurde hart codiert?“  

Viele reichweitenstarke Fitness-Youtuber zeigen derzeit in ihren Videoblogs, wie der Chatbot Trainingspläne im Nu ausspuckt, auf der Basis von Angaben wie Alter, Trainingsziel und vorhandener Zeit zum Trainieren. Allgemeiner Tenor: Die Ergebnisse sind beachtlich, aber mit Vorsicht zu genießen, weil diese Pläne individuelle Besonderheiten wie beispielsweise Verletzungen nicht berücksichtigen.

„Künstliche Intelligenz steckt noch in den Kinderschuhen“

Aus diesem Grund sieht der Heidelberger Sportwissenschaftler und Personal Trainer Matthias Fischer von KI erstellte Trainingspläne skeptisch: „Ich habe dazu eine speziellere Haltung, denn künstliche Intelligenz steckt meines Erachtens noch in den Kinderschuhen. Ich denke, bevor man einem Menschen einen Trainingsplan erstellt, sollte man ihn als komplettes biopsychosoziales System betrachten. Jeder Mensch ist zu komplex, um nach einem standardisierten Plan zu trainieren“, so der Inhaber der Firma CAPECS® sports consulting in Heidelberg im Gespräch mit ISPO.com. 

„Wenn ein Sportler zum Beispiel Muskeln aufbauen will in den Oberschenkeln, seine Eckdaten wie Alter, Gewicht, Körperfettanteil eingibt, dann kann eine künstliche Intelligenz sicherlich schon vernünftige Trainingspläne erstellen. Aber in der Praxis sieht es so aus, und das sehe ich bei meiner täglichen Arbeit, dass man den ganzen Körper durchleuchten, eine Anamnese machen muss, nicht nur für optimale Ergebnisse beim Muskelaufbau, sondern insbesondere zur Schmerzprävention beziehungsweise Rehabilitation. Da sehe ich momentan noch die Grenzen.“

Spitzensport: KI-basierte Coaching-System

Auf die Frage, welche Spitzensportler*innen mit künstlicher Intelligenz ihre Performance zu verbessern versuchen, liefert ChatGPT konkrete Antworten; etwa, dass die britische Top-Leichtathletin Katarina Johnson-Thompson ein KI-basiertes Fitness-Coaching-System nutzt, das der weltweit führende US-Anbieter „Vi“ entwickelte. Mit den Daten aus Wearables wie Smartwatches und Fitness-Trackern erstellt dieses System personalisierte Trainingspläne für die Medaillensammlerin Johnson-Thompson. Auch Serena Williams, LeBron James und Usain Bolt trainieren laut ChatGPT mit KI.

Erfolg von Freeletics: KI erobert Breitensport

KI-Coaches sind auch für Normalo-Sportler*innen auf dem Vormarsch, wie die Erfolgsgeschichte von Freeletics beweist. Das 2013 in München gegründete Fitness-App-Startup zeigt, dass KI längst ihren Weg in den Breitensport gefunden hat. Der Fokus des Trainings bei Freeletics liegt auf Kraft und Ausdauer ohne Geräte: zum Beispiel als High Intensity Training und Calisthenics (intensives körperliches Training in Parks, bei dem mit dem eigenen Körpergewicht trainiert wird). Beim virtuellen Trainer handelt es sich laut Freeletics um „den fortschrittlichsten digitalen, KI-basierten Personal Trainer, den es gibt“.

Je mehr wertvolle Daten, desto wirkungsvoller die KI

Die künstliche Intelligenz setzt sich im Sport auf allen Ebenen der Trainingssteuerung immer mehr durch, weil smarte Tools immer mehr Daten und Statistiken zur Verfügung stellen. Hinzu kommen Informationen, Erfahrungen und Feedbacks von User*innen aus der ganzen Welt, all das fließt in den KI-basierten Apps zusammen. Die Verfügbarkeit wertvoller Daten ist der Grund dafür, dass sich die KI weiterentwickeln kann; je mehr Daten, desto bessere Ergebnisse.

Die App „Enduco“ etwa erfasst zunächst das Training ihrer Nutzer*innen und integriert Leistungsdaten aus anderen Quellen. Unter Berücksichtigung der aktuellen Form und der sportlichen Ziele der User*innen generiert der KI-gesteuerte Coach einen „maßgeschneiderten Trainingsplan“. Nach dem Training gleicht der KI-Coach den Trainingsplan an, je nach Ist-Zustand. Basierend auf Abweichungen wird dieser Plan für die Zukunft dann entsprechend angepasst.

Künstliche Intelligenz warnt vor Gefahren beim Training

Künstliche Intelligenz ist sogar in der Lage, Verletzungsgefahren vorherzusagen. Datenwissenschaftler Alessio Rossi von der Universität Pisa und sein Team 

haben italienische Profi-Fußballmannschaften über einen längeren Zeitraum analysiert. Sie haben die Trainingsbelastung jedes Spielers mithilfe von Parametern wie GPS und Videoanalysen sowie Herzfrequenz, Laktatwert und subjektives Belastungsempfindens gemessen. Die Forscher fütterten eine KI mit all diesen Informationen, um Muster in den Belastungsdaten zu erkennen und schließlich Verletzungen vorherzusagen. Die KI konnte Wahrscheinlichkeiten errechnen, dass sich ein Spieler in den nächsten Tagen oder Wochen verletzen könnte und auch Hinweise liefern, warum Verletzungen drohen.

Mithilfe der Kombination von zum Beispiel Kamera-Daten und Informationen, die Wearables liefern, kann KI sogar strategische oder taktische Situationen lösen. Zu diesem Ergebnis kommt der Bericht „Künstliche Intelligenz für den Spitzensport im Spannungsfeld zwischen Big und Small Data“ des Bundesinstituts für Sportwissenschaft.

Preiswerter als Personaltrainer - aber kein adäquater Ersatz

Aktuell werden KI-Tools vor allem im Fitnessbereich genutzt. Und sie können mehr als nur allgemeine Trainingspläne erstellen. So hilft die App „Mirror“ ihren Nutzer*innen, Bewegungen beim Fitnesstraining korrekt auszuführen. KI ermöglicht preiswerte Wege zu Trainingsplänen, hilft bei der Trainingssteuerung und unterstützt die Motivation, zu einem deutlich geringeren Preis als ein Personal Trainer. 

Trotz dieser Tatsache müssen sich menschliche Trainer*innen aber keine Sorgen um ihre Existenzberechtigung machen, erklärt der Münchner Personal Trainer George Tsantalis: „Bei komplizierten Bewegungen wie Kniebeugen oder Kreuzheben kann eine KI nicht direkt eingreifen, wenn diese nicht korrekt ausgeführt werden. Die KI kann die Bewegung nicht sehen und somit nicht jederzeit in Echtzeit eingreifen, wie es ein Personal Trainer tun würde.“  Generell sieht Tsantalis in den Möglichkeiten, die KI langfristig bietet, aber noch viel Potenzial: „Da sich die Technologie nahezu jeden Tag verbessert, wird sie viel wettbewerbsfähiger und kann sicherlich auch für uns Personal Trainer und die Fitnessbranche in Zukunft noch hilfreicher sein werden."

„Momentan sehe ich die künstliche Intelligenz noch nicht so weit“

Prof. Asteroth setzt ebenfalls auf menschliche Trainer*innen, sieht aber auch das Potenzial der virtuellen Coaches: „Wie viele andere sehe ich von KI erzeugte Trainingspläne skeptisch. Aber in Zukunft, wenn diese sich weiterentwickeln, hat die künstliche Intelligenz ein Potenzial im Sportbereich. Deshalb arbeite und forsche ich daran. Aber momentan sehe ich die KI einfach noch nicht so weit.“

Dabei möchte sich der Wissenschaftler nicht festlegen, mit welchen Entwicklungspotenzialen in den kommenden Jahren zu rechnen sein wird, aber Prof. Asteroth definiert klar, was sie können sollten: „Künstliche Intelligenz muss erklärbare Trainingspläne liefern. Die modernen KI-Ansätze sind datengetrieben, das maschinelle Lernen des Systems entwickelt aus Daten seine Vorhersagen. Diese bleiben aber völlig unerklärt. Offen bleiben etwa Risiken. Was passiert, wenn ich auf diese oder jene Weise trainiere?"

„Explainable AI“ wird die entscheidende Weiterentwicklung

„Explainable AI“ wird aus Asteroths Sicht zukünftig eine sehr große Rolle spielen. Die meisten modernen maschinellen Lernverfahren sind Blackbox-Algorithmen, das heißt, die Vorhersagen geschehen ohne Erklärungen, warum es zu genau diesem Vorhersage-Ergebnis kommt. Dies sei aber ganz entscheidend, um einschätzen zu können, ob man einem KI-generierten Trainingsplan trauen kann oder auch nicht. Die KI müsse nicht nur einen Plan liefern, sondern die Begründung dafür ebenfalls. Das geschieht derzeit noch nicht.

Prof. Asteroth sieht das Potenzial von KI vor allem in Form von Unterstützungssystemen für Trainer*innen, ganz gleich, ob im Leistungssport oder im Fitnesssektor: „Gerade im Profibereich sind die Athlet*innen bereits austrainiert, hier braucht es eventuell Alternativen für neue Trainingsmodelle. Diese können KIs liefern. Aus meiner Sicht sollte KI nie ein vollautomatisches System sein, sondern immer nur ein unterstützendes. Weil wir es mit Menschen zu tun haben!"

Themen dieses Artikels