Bildcredit:
David Henrichs/unsplash.com
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Sportbusiness/21.03.2024

Von der Wildnis ins Web: Wie Brands vom Video-Storytelling profitieren

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Wo früher aufwendige und teure Technik nötig war, können heute dank Smartphones, kompakten Drohnen und KI-Bearbeitungssoftware auch Brands mit kleinem Budget spektakuläre Outdoor-Videos produzieren. Joachim Hellinger, Gründer der European Outdoor Film Tour (EOFT), erklärt, warum Outdoor- und Abenteuerfilme eine derartige Anziehungskraft haben, und was es für eine gute Story braucht.

Feuerland, Patagonien, Chile. Fernab jeglicher Zivilisation. Schneeriesen, die noch nie ein anderes Kleid getragen haben. Rotorblätter eines Helikopters schieben in Zeitlupe vor die strahlende Wintersonne. In dreitausend Metern Höhe öffnet sich die Seitentüre des Helikopters und ein Snowboarder wirft sich aus der Schwebe in einen Rausch. Fast senkrecht stürzt er sich hinab, überspringt Fels-Giganten, fliegt dutzende Meter tief, gleitet durch ein unberührtes Schneeparadies, findet seine Erfüllung. Es ist Profi-Snowboarder Travis Rice, in einem der wohl spektakulärsten Outdoor-Dokumentarfilme aller Zeiten.

Für „The Art of Flight“ aus dem Jahr 2011 reisten Travis und Regisseur Curt Morgan zu den entlegensten Gipfeln der Welt. Zwei Jahre dauerten die Dreharbeiten mit professionellen Cine- und Actionkameras, die nicht nur für herausragende Bilder, sondern auch für ein Produktionsbudget von mehreren Millionen Dollar gesorgt haben. Hinter dem Projekt steckt Red Bull Media House, ein Ableger des österreichisch-thailändischen Brauseherstellers. Mit 14,6 Millionen Abonnenten und rund 4,95 Milliarden Video-Views ist Red Bull der erfolgreichste YouTube-Channel in Österreich. Allein der offizielle Trailer zu „The Art of Flight“ ist dort 18,6 Millionen mal abgerufen worden. Heutzutage ist kaum ein Surf-, Snowboard-, Cliff Diving- oder Motocross-Event ohne Bullen-Branding denkbar. Das Unternehmen aus Fuschl am See hat es mit seiner Marketing- und Content-Strategie geschafft, den Bereich Action-Sport wie kein anderes Unternehmen zu besetzen.

Budgets werden kleiner – Kameras auch

Längst ist Outdoor-Content nicht mehr nur etwas für etablierte Video-Produzenten oder große Budgets. Wo früher Spezialisten und teure Kameras zum Einsatz gekommen sind, ist heute vieles einfacher geworden. Schon mit dem Smartphone lässt sich hochwertiger Content produzieren, distribuieren und konsumieren. Simpel und erschwinglich. Kleine Drohnen passen in die Hosentasche und ermöglichen Aufnahmen, für die vor einigen Jahren noch Hubschrauber nötig gewesen sind. Actioncams und POV-Kameras gibt es für wenige hundert Euro. Und auch die Postproduktion ist mittlerweile kinderleicht geworden. Dank KI- und Cloud-basierten Schnittprogramme kann mittels Smartphone der produzierte Content rasend schnell geshared werden – von der Hand in den Mund. Social Media hat diesen Prozess extrem beschleunigt. Für die etablierten Hersteller von Camcordern und Digitalkameras ist die Entwicklung schwer zu verkraften. Seit 2010 haben sich die Verkaufszahlen von jährlich 121,46 Mio. auf 7,72 Mio. im vergangenen Jahr reduziert. Doch beim Blick durch den Sucher gibt es nach wie vor Lichtblicke. Denn zumindest spiegellose Systemkameras erfreuen sich noch steigender Beliebtheit. In Deutschland gab es in diesem Marktsegment zuletzt acht Prozent Wachstum. Die „Alleskönner" sind vollgepackt mit Profitechnik, kompakter und leichter als klassische digitale Spiegelreflexkameras und bieten daher Filmemachern mehr Flexibilität und Einsatzmöglichkeiten. Und was für welche!

Ein-Mann-Produktionsfirma

Einer der gezeigt hat, dass man als Velo-Weltenbummler und One-Man-Show mit relativ einfachen technischen Mitteln herausragendes kreieren kann, ist der Niederländer Martjin Doolaard. Ausgestattet mit einer Systemkamera, drei Objektiven und einer kompakten Kamera-Drohne hat Doorlaand „Two years on a bike“ produziert, eine vierteilige YouTube-Dokumentation mit begleitendem 400-seitigen Bildband. Zwei Jahre war der Videograf unterwegs, knapp 20.000 Kilometer von Vancouver bis nach Patagonien. Mehr Outdoor-Abenteuer geht kaum. Entstanden sind Momente für die Ewigkeit und für die große Leinwand.

Sehnsucht nach Abenteuer ist groß wie nie

Geschichten und Filme wie die des reisenden Holländers sind genau das, wonach Joachim „Helli“ Hellinger sucht – und sie immer wieder findet. Hellinger ist Filmproduzent und hat 2001 die European Outdoor Film Tour (EOFT) gegründet. Jährlich begeistert die EOFT rund 250.000 Zuschauer in über 350 Städten und 14 Ländern. Und die Community wächst weiter – auch dank anderer Filmtouren aus dem Haus Movin Adventures Medien. Gezeigt werden unterschiedliche Abenteuer- und Outdoor-Kurzfilme aus der ganzen Welt. Joachim Hellinger ist stolz auf den Erfolg und kennt einen Grund dafür: „Je virtueller unsere Welt wird, desto größer ist die Sehnsucht nach wahren Geschichten und Helden, nach Authentizität und Abenteuer.“ Gleichzeitig gibt es auch immer mehr Filmemacher, die sich dem Genre annehmen und sich selbst dokumentieren – gerade weil Investments immer geringer werden. Instagram und YouTube sind voll von Outdoor-Enthusiasten, die sich nicht nur selbst in Szene setzen, sondern teilweise auch für Brands von großer Bedeutung sind. Beim Caravaning, Bikepacking oder Bergsteigen werden hier die neuesten Produkte extremen Elementen ausgesetzt. Outdoor-Brands steigern so ihre Vertrauenswürdigkeit, die Influencer ihre Reichweite. 

 

Outdoor-Emotionen auf großer Leinwand

Komm zur OutDoor by ISPO vom 3.–5. Juni 2024 und erlebe die Abenteuer von anderen Outdoor-Enthusiasten im Großformat! Das neue OutDoor by ISPO Cinema powered by EOFT zeigt dir mitreißende Storys der vergangenen Ausgaben der European Outdoor Filmtour (EOFT). Highlight wird die Verleihung des 21st Century Adventurer Awards an die oder den diesjährige*n Sieger*in. Wir stellen schonmal das Popcorn bereit!

Joachim Hellinger hat die European Outdoor Filmtour ins Leben gerufen.

Alina Jäger, Deutschlands erfolgreichste Bike-Influencerin ist eine davon. Auf ihrem Instagram-Kanal @clippendinandfree begeistert sie rund 243.000 Menschen mit ihrem Outdoor-Trips rund um den Globus. Bislang weniger bekannte Brands können von ihrer Reichweite profitieren und etablieren sich. Doch nicht alle schaffen den Spagat zwischen Qualität und Quatsch so gut wie Alina. Die steigende Flut von Content bringt nämlich auch Nachteile mit sich. „Je mehr Content produziert wird, desto häufiger entsteht eben auch solcher, der keine Relevanz hat“, sagt Joachim Hellinger. Auf der anderen Seite gibt es einen Wettbewerb der Originalität, der Superlative und der Extreme zu beobachten. „Alleingänge, die Innenschau und die Gedankenwelt werden immer wichtiger“, so Hellinger. „Free Solo“ war so ein extremer Alleingang, der Maßstäbe gesetzt hat. Ohne Seil und andere technische Hilfsmittel bezwingt Freikletterer Alex Honnold den knapp 1.000 Meter hohen Granitfelsen El Capitan im Yosemite National Park. Dass er nur einen Fehlgriff vom Tod entfernt ist, weiß Honnold. Dass Free Solo 2019 als bester Dokumentarfilm mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, davon hatte er nie zu träumen gewagt.

Tiefgang als Image-Kampagne

Doch es sind nicht nur die extremen Grenzerfahrungen, die zu großen Erfolgen führen. Die Outdoor-Marke Patagonia hat für sich eine ganz eigene Content-Strategie entwickelt. Patagonia will wachrütteln und nimmt sich immer häufiger gesellschaftspolitischen Themen an. Im neuesten Werk, „Laxaþjóð - A Salmon Nation“, fordert Patagonia die isländische Regierung dazu auf, eine Führungsrolle in Europa zu übernehmen und die Lachszucht in offenen Netzgehegen in ihren Küstengewässern zu verbieten. Ein persönliches Anliegen auch des Firmengründers Yvon Chouinard. Auch wenn sich die isländische Regierung davon nicht beeindrucken lässt, Patagonias YouTube-Channel profitiert mit derzeit 453.000 Abonnenten ebenso wie das nachhaltige Image der Marke.

Grenzen liegen im Storytelling

Wenn die Welt komplizierter und unsicherer wird, der eigene Kosmos überfordert und Widerstände größer werden, dann wird die Suche nach dem Glück im Draußen, in der Freiheit immer relevanter. Ob es dabei am Ende auch immer extremer werden muss? Eher unwahrscheinlich. Heute finden Filmproduktionen im hintersten Winkel der Welt, in der dunkelsten Nacht, im tiefsten Wasser oder in der höchsten Höhe statt. Am Ende kommt es auf die kreativen Ideen, bewegenden Geschichten und die besonderen Menschen an, die sie erzählen – besonders, wenn man sich gegen die verlockenden Shortvideos von TikTok durchsetzen will. „Es ist nicht entscheidend, ob ein Film mit der neuesten Technik oder dem größten Budget produziert wird. Am Ende geht es um eine gute Story und um authentische Emotionen, die uns mitfühlen lassen. Die Grenzen liegen heute im Inhaltlichen und dafür muss man lange Strecken gehen“, weiß Hellinger. Inspirationen kann sich die Branche auf der OutDoor by ISPO holen. Denn die Messe ist der perfekte Treffpunkt für Brands, Outdoor-Enthusiasten und Content-Produzenten, um kreative Storytelling-Ideen zu entwickeln.

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