Bildcredit:
Andhika Soreng/unsplash
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Outdoor/27.04.2023

Action Sport und Nachhaltigkeit – wie passt das eigentlich zusammen?

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Immer höher, immer weiter: Wenn BMX-Fahrerinnen waghalsige Stunts vollführen oder Snowboarder in der Halfpipe meterhoch fliegen, zeigt sich, dass im Action Sport kaum noch Grenzen existieren. The sky is the limit - oder vielleicht doch nicht? Denn der Thrill erzeugt nicht nur Gänsehaut, sondern auch Emissionen. Wie sehr muss sich der Action Sport wandeln, um neben dem Adrenalinkick auch ein gutes Gewissen zu hinterlassen?

Wer im August 2022 die European Championships in München besucht hat, der konnte erleben, wie sehr der Sport verbinden kann. Für viele war „Munich 2022“ eines der besten Großsportevents, das Deutschland in den vergangenen Jahren zu bieten hatte. Ein Grund dafür war – neben dem grandiosen Setting in historischen Wettkampfstätten – die Verschmelzung von traditionellen Sportarten mit Action- und Trendsport in der City. Im BMX Park auf dem Olympiaberg ließ sich das Publikum durch die spektakulären Tricks mitreißen. Partystimmung auch auf dem Königsplatz beim Klettern und Bouldern oder im Olympiapark beim MTB Cross Country – trotz Dauerregens. Das Event hat aufgezeigt, wie sehr der Action Sport den Mainstream fasziniert und euphorisiert. Von Nische keine Spur mehr. Doch wie definiert sich DER Action Sport? Wie hat er sich entwickelt und wie passt er in die heutige Gesellschaft und in den gestiegenen Anspruch an Umweltschutz und Nachhaltigkeit? ISPO.com versucht Antworten zu liefern.

Um die erste Antwort gleich vorwegzunehmen: DEN Action Sport gibt es nicht. Genauso wenig wie es eine exakte Klassifizierung in Trend- oder Funsport gibt. Für die Sportwissenschaft ist der Action Sport ein Teilbereich des Extremsports. Oft aber sind die Grenzen fließend. Selbst ein 5-Kilometer-Lauf kann je nach Setting schnell zum Trendsport, Action Sport, Extremsport, Thrill-Sport oder Soul Sport werden.

Ursprung des Action Sports: Von der Idee zum Mainstream

Wie sich aus einer kleinen Bewegung ein Trend und später ein Action Sport entwickelt, der im Mainstream nicht mehr wegzudenken ist, lässt sich am Beispiel Snowboarding beschreiben. Wie bei den meisten Trends waren es Aktive aus anderen Sportarten, die sich in einer neuen Bewegungsform versuchten. 1965 wurde das erste „Brett“ in den USA entwickelt. Die Idee: Das Surfgefühl auch im Schnee erleben. Die Pioniere Tom Sims und Jake Burton brachten mit ihrem Enthusiasmus eine ganze Lifestyle-Lawine ins Rollen. In den späten 1970er Jahren tauchten die ersten Snowboarder in den traditionellen Skigebieten auf, stießen dort zunächst aber auf heftigen Widerstand. Doch Verbote konnten den Trend nicht aufhalten. Bei den Olympischen Winterspielen 1998 in Nagano war Snowboarden erstmals olympisch – und damit angekommen im Mainstream. Ganz ähnliche Entwicklungen haben Skateboarding und Mountainbiking genommen.

Merkmale des Action Sports: Virtuosität, Kreativität & Lifestyle

Vielen Action Sports ist gemein, dass sie sich aus jugendkulturell geprägten Szenen heraus entwickelt haben. Virtuosität ist hier ein ganz entscheidendes Merkmal. Die Faszination an außergewöhnlichen Bewegungen und Körperlagen, Experimentierfreude und Kreativität sowie die Individualisierung spielen im Action Sport eine immense Rolle. Mindestens genauso wichtig ist die Stilisierung, denn oftmals ist der Action Sport mit spezifischen Lebensstilen verbunden, die sich beispielsweise durch bestimmte Werthaltungen, Rituale, Sprach- und Kleidungsstile ausdrücken. Dazu ein bisschen Gegenbewegung und Rebellion zu bereits etablierten Sportarten – fertig ist der neue Trend. Spätestens wenn dann aus der subkulturellen Szene eine Industrie erwächst und sich Sponsoren engagieren, ist der Action Sport nicht mehr nur Nische. Hier hat besonders Red Bull den Action Sport beflügelt: Kein Snowboard-Event ohne Partykultur und Produktwerbung, keine professionellen Wettkämpfe ohne Brause-Boost.

Antriebe des Action Sports: Adrenalin, Individualisierung & Risiko

Viele Sporttreibende messen Adrenalin einen zentralen Stellenwert bei – im Action Sport häufig ein Element, das die Faszination ausmacht. Hinzu kommt der Drang nach Freiheit und Individualisierung, die in den vergangenen Jahren auch durch Social Media immer mehr an Wert gewinnt. Und unsere Mobilität sorgt zusätzlich dafür, dass wir heute mehr Möglichkeiten haben als jemals zuvor: Surfen und Kiten an den schönsten Stränden, Snowboarden in unberührtem Tiefschnee oder Mountainbiking in den entlegensten Wäldern. Die Optionen sind da, also nutzen wir sie auch. Und genau hier setzt dann auch im Action Sport die Diskussion um Nachhaltigkeit und Umweltschutz an. Auf die Frage, ob Snowboard fahren nicht schädlich für die Umwelt sei, entgegnet Ulrike Pröbstl-Haider, Professorin für Landschaftsentwicklung, Freizeit und Tourismus an der Universität für Bodenkultur in Wien: „Der Wintersport-Tourismus ist nicht das größte Problem. Wer als Tourist ein Flugzeug besteigt oder ein Kreuzfahrtschiff betritt, der weist eine wesentlich schlechtere Ökobilanz auf. Dagegen ist der Ski-Tourismus geradezu heilig.“ Trotzdem: Das Beschneien und Präparieren der Pisten fressen enorm viel Strom und Benzin, nicht zu vergessen die massenhafte Anreise mit dem Auto. Wie aber sehen die Alternativen aus? Gibt es überhaupt so etwas wie „grünen“ Action Sport?

Anspruch des Action Sports: Gibt’s das auch in „grün“?

Tatsächlich gibt es so etwas wie „grünen“ Action Sport. Beim Parkour nutzt man zum Beispiel einfach nur das, was ohnehin direkt vor der Haustür ist. Das gilt auch für Skateboard fahren oder Biken. Okay, für den Bau von Skate- oder BMX-Parks müssen Ressourcen aufgebracht werden, dennoch hinterlassen Skateboarding und BMX einen sehr kleinen CO2-Fußabdruck. Städte- und Gemeindeplaner wissen längst, wie wichtig solche Angebote sind und bauen sie deshalb aus. Aber ein „Gap Jump“, „Kickflip“ oder „180 Bunny Hop“ sind halt nicht für jeden etwas. Viele suchen den Thrill im Snowboarding, beim Kiten oder Surfen. Oder bei Skitouren, doch selbst die sind durch die Anreise und das Stören von Wildtieren nicht ohne Makel. Darum bleibt es am Ende vielleicht bei der Weisheit, die in vielen Lebenslagen oft weiterhilft: Weniger ist manchmal mehr.

Zukunft des Action Sports: Mehr Bewusstsein, weniger Daytrips

Vielleicht muss man im Winter nicht jedes Wochenende mit dem Auto ins Skigebiet fahren. Und klar, Surfen auf Fuerteventura, Ägypten oder Bali macht Spaß. Was aber gibt es für Spots in der Nähe? Surfen kann man auch an der Nordseeküste, Windsurfen, Kiten oder Foilen sogar auf dem nächstgelegenen See. Liber kurze Wege nutzen und per Bahn statt mit dem Auto oder Flieger anreisen. Für Surfer schaffen jetzt immer mehr Metropolen Möglichkeiten vor Ort und bauen künstliche Anlagen, die Wellen per Strom aus der Photovoltaikanlage erzeugen.

Es gibt immer Alternativen und sie werden in den kommenden Jahren mehr werden. Denn bewusstes Handeln und nachhaltiges Denken nimmt zu, mehr noch: Es ist bereits Teil der (Jugend-) Kultur. Laut einer aktuellen, repräsentativen Umfrage des Unternehmens Jochen Schweizer, das mit Action, Thrill und Reiseerlebnissen Geld verdient, haben bereits rund 44 Prozent der befragten Deutschen ihr Reiseverhalten zugunsten der Nachhaltigkeit angepasst.

Vergnügen, Thrill und Freiheit sind Teil des Action-Sport-Lifestyles, und das wird auch so bleiben. Action Sport macht Spaß, schafft Erlebnisse und ist nicht zuletzt ein großer Markt. Da, wo er noch nicht nachhaltig ist, können jede und jeder Aktive und sogar Veranstalter ihn etwas „grüner“ gestalten. München 2022 hat gezeigt, dass man auch Großsportevents anders denken kann als früher.

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