ISPO.com: Der Outdoor-Markt steht derzeit unter Druck, aber Merrell scheint eine solide Strategie zu haben. Kannst du uns ein wenig darüber erzählen?
Tim Selby: Die Marke hat in den letzten Jahren eine Transformation durchlaufen. Vor 2019 waren wir ziemlich traditionell – ich habe immer gescherzt, dass unsere Produktbesprechungen „40 Shades of Brown“ waren. Aber Verbraucherumfragen zeigten eine klare Veränderung: Neue Marktteilnehmer*innen wollten diesen klassischen, ausschließlich auf Tradition ausgerichteten Ansatz nicht. Hätten wir uns nicht verändert, wäre der Markt für uns immer schwieriger geworden.
Wir also begannen damit, Merrell als sportlichere Outdoor-Marke neu zu positionieren. Wenn du heute unsere Website besuchst, siehst du diese Veränderung deutlich. Die Ergebnisse sind überzeugend, und wir haben in den letzten fünf Jahren ein zweistelliges Wachstum erzielt.
Wofür steht Merrell heute?
Selby: Unsere Tradition war schon immer von Inklusion geprägt. Wir waren nie eine Marke für die „Gipfelstürmer“, sondern eine Marke für alle. Heute lautet unser Mantra ganz einfach: *Die Natur ist für jeden da.* Wir sprechen jetzt mehr davon, das Draußen sein zu feiern, diesen alltäglichen Raum vor der Haustür, statt nur die extreme Outdoor-Welt.
Viele Marken konzentrieren sich immer noch auf den Gipfel, aber nur ein kleiner Prozentsatz der Menschen schafft es jemals dorthin. Das Draußen ist ein viel größerer, besser nachvollziehbarer Raum. Dieses Draußen ist ein viel größerer Markt als Outdoor. Die Verbraucher denken nicht mehr an schwere Lederstiefel, die sie zweimal im Jahr tragen, sondern wollen Produkte, die sie bei verschiedenen Gelegenheiten verwenden können, vom Wanderweg bis zur Stad
Welche Veränderungen beobachtest du derzeit auf dem Markt?
Selby: Wir sehen einen klaren Trend hin zu Vielseitigkeit. Verbraucher in den Dreißigern wollen Schuhe, die zu verschiedenen Anlässen passen – etwas, das sich zum Wandern, Reisen oder für den Alltag eignet. Wer es ernst meint, kauft sich für den jeweiligen Anlass immer noch einen technischen Bergschuh. Aber selbst als ich diesen Sommer in den Alpen war, trugen fast alle Trailrunning- oder Wanderschuhe; kaum jemand trug Lederstiefel. Und beim anschließenden Ausgehen, auch in größeren Städten, kombinierten alle die gleiche Art von Schuhen mit Jeans.
Outdoor-Händler passen sich an und setzen auf Farbe, Stil und Crossover-Ästhetik. Sie werden mehr zu Händlern, die das Draußen sein vermitteln, als zu klassischen Outdoor-Händlern. Kooperationen mit Modemarken eröffnen ebenfalls neue Möglichkeiten und tragen dazu bei, dass Outdoor-Produkte Teil der Alltagsgarderobe werden.
Was bedeutet das für den Einzelhandel?
Selby: Nun, was Capsules mit ihren geringeren Stückzahlen angeht, möchte jeder eines dieser Paare ergattern, und wir haben in den letzten Jahren einige richtig große Kooperationen gesehen. Aber wie man sein Sortiment segmentiert, ist extrem wichtig. Früher konnte man einfach vier Farbvarianten herausbringen und diese überall verkaufen. Aber so funktioniert das heute nicht mehr. Heute muss man das richtige Produkt für den richtigen Kanal anbieten, und genau darin liegt die Herausforderung. Wenn man nicht das Produkt hat, das die Verbraucher in dem jeweiligen Vertriebskanal wollen, passt der Preis nicht, weil man dort rabattieren muss.
Auch die Zyklen haben sich verändert: Wir sprechen hier nicht mehr von vielleicht drei Monaten Interesse. Es geht um regelmäßige Kauf- und Verkaufsspitzen, und die Verbraucher gehen von dort aus zum nächsten Produkt über. Man muss für Abwechslung sorgen, denn warum sollten die Verbraucher sonst in den Laden kommen? Du willst verschiedene Verbraucher auf unterschiedliche Weise ansprechen. Und genau hier sehen wir die Zukunft des Marktes. Wir müssen maßgeschneiderter, ausgefeilter und zielgerichteter vorgehen. Und ich denke, das ist gut so, denn es wird den Wert des Outdoor-Segments steigern.
Welche Rolle spielen dabei Kundenerlebnis und Community?
Selby: Ich denke, dass sich die Einzelhandelslandschaft weiter konsolidieren und von transaktional zu erlebnisorientiert verändern wird. Marken und Einzelhändler müssen bei Veranstaltungen, Storytelling und Community-Engagement stärker zusammenarbeiten. In Zukunft wird es darum gehen, das Erlebnis im Einzelhandel zu verbessern und Marken und Einzelhandelspartner dabei zusammenzubringen, da Marken diesen Raum auch für Veranstaltungen und den Aufbau von Communities nutzen. Ich glaube, dass es auch entscheidend ist, Kundenerlebnisse zu bieten und die Verweildauer im Geschäft zu verlängern. Die Einladung lokaler Schulen oder die Ausrichtung von Aktivitäten im Geschäft tragen dazu bei, dauerhafte Verbindungen aufzubauen.
Über den Einzelhandel hinaus florieren Community-Läufe. Laufclubs zum Beispiel geben den Menschen das Gefühl, dazuzugehören und verbunden zu sein, wobei Laufen eher zu einer Lifestyle-Entscheidung als zu einem reinen Wettkampfsport geworden ist. In Großbritannien verbinden Veranstaltungen wie *Love Trails* Laufen mit Musik und Kultur und schaffen eine neue Art von Community-Erlebnis. Ich denke, wir werden mehr davon sehen, da das Bedürfnis nach Verbindung und gemeinsamer Identität nicht nachlassen wird.
Du hast kurz Trailrunning angesprochen. Wie erklärst du diesen Trend angesichts der starken städtischen Märkte?
Selby: Trailrunning zeigt keine Anzeichen einer weniger zu werden. Es wird in den kommenden Jahren ein wichtiger Wachstumsbereich sein. Da Laufen insgesamt immer beliebter wird, tragen die Verbraucher*innen diese Leidenschaft auch nach draußen. Sie laufen vielleicht nicht auf Berggipfel, aber sie wollen trotzdem technische Ausrüstung wie Gore-Tex und Vibram und zeigen diesen Move Richtung Outdoor durch Marken, die dieses technische Gefühl unterstützen.
Interessanterweise sind etwa 60 % der Trailrunning-Konsumenten Stadtbewohner. Sie verbringen vielleicht zwei Wochen im Jahr in den Alpen, aber den Rest der Zeit trainieren sie in der Nähe ihres Wohnortes und gehen danach vielleicht in die Kneipe. Der Trend wird von urbanen Umgebungen vorangetrieben. Laufsilhouetten sind Teil des täglichen Styles geworden, Einzelhändler bringen hier neue Ideen ein und die Konsument*innen lieben den technischen Vorsprung von Trail-Laufschuhen.
Merrell investiert ebenfalls, mehr Menschen nach draußen zu bringen. Kannst du uns etwas mehr darüber erzählen?
Selby: Wir glauben, dass die Natur für alle zugänglich sein sollte. Wie Untersuchungen zeigen, können bereits 15 Minuten im Freien einen enormen Einfluss auf die psychische Gesundheit und unser allgemeines Wohlbefinden haben. Deshalb möchten wir mehr Menschen nach draußen bringen. Unsere CSR-Programme konzentrieren sich auf Gemeinschaft, Zugehörigkeit und Zugänglichkeit. Dazu gehören die Finanzierung von Projekten, die benachteiligte Kinder aus Städten in die Natur bringen, die Unterstützung von Gemeinden beim Bau lokaler Wanderwege und die Förderung von Gruppen, die Outdoor-Aktivitäten zur Verbesserung der psychischen Gesundheit nutzen.
Wir haben auch Initiativen für Flüchtlinge ins Leben gerufen und unterhalten einen Merrell-Fonds zur Unterstützung von Basisorganisationen, für den wir Bewerbungen aus ganz Europa entgegennehmen.
Letzte Frage: Wie siehst du die Zukunft der Branche und wie passt die ISPO 2025 deiner Meinung nach dazu?
Selby: Das Laufen wird weiter wachsen, und als Branche müssen wir nah an unseren Kunden bleiben und mit ihnen im Gespräch bleiben, um uns weiterzuentwickeln und für sie relevant zu bleiben. Trotz wirtschaftlicher Herausforderungen hat der Outdoor-Sektor eine starke Position und eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft.
Was die ISPO betrifft, sind wir gespannt, wie sich die Messe parallel zum Markt weiterentwickeln wird. Das neue Konzept passt genau zu dem, was wir besprochen haben – der Schnittstelle zwischen Outdoor und Lifestyle. Genau darin sehen wir die Zukunft, und wir freuen uns darauf, 2025 zur ISPO zurückzukehren, um diese Vision zu präsentieren.
Aus dem Interview mit Tim Selby von Merrell wird klar: die Sport- und Outdoorbranche befindet sich in einem grundlegenden Wandel. Verbraucher*innen suchen heute nach vielseitigen Produkten, die Funktion, Stil und Alltagstauglichkeit verbinden. Outdoor wird zum Lebensgefühl, nicht nur zur sportlichen Aktivität. Brands, die auf Authentizität, Inklusion und Community setzen, schaffen echte Relevanz. Für Retail und Hersteller bedeutet das: weniger Produktdenken, mehr Erlebnis, Kooperation und Sinn.
Wie Merrell diesen Wandel gestaltet, kannst du auf der ISPO 2025 selbst erleben. Als Aussteller zeigt die Brand, wie Outdoor und Lifestyle nahtlos zusammenfinden, mit neuen Produkten, die Vielseitigkeit, Funktion und Design vereinen. Vom 30. NOV. bis 02. DEZ. in München.
- Zielgruppenwandel: Die klassische Trennung zwischen Outdoor und Alltag verschwindet. Menschen wollen Produkte, die sie vom Trail in die Stadt begleiten – funktional, bequem und stylisch zugleich.
- Neue Markenidentität: Authentizität zählt mehr als Perfektion. Marken, die Vielfalt und Zugänglichkeit betonen, schaffen echte Nähe zu ihrer Community.
- Retail im Umbruch: Händler müssen Erlebnisse schaffen, nicht nur verkaufen. Wer Events, Storytelling und Begegnungen bietet, bleibt relevant.
- Kooperationen als Türöffner: Crossover mit Mode, Kultur oder Musik hilft, Outdoor-Produkte in den Alltag und in neue Zielgruppen zu bringen.
- Community und Sinn: Marken, die Teil lokaler Initiativen werden und Menschen nach draußen bringen, schaffen Vertrauen und Zugehörigkeit.
- Zukunftsausblick: Die Sportbranche bewegt sich von „Outdoor“ zu „Outside“ – weniger Leistung, mehr Lebensgefühl
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