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Insider erzählen von ihrer Outdoor-Saison 2021

  • Johanna Stöckl
  • 17. Februar 2021

Es war ein schwieriges Jahr für alle. Auch die Outdoor-Profis blicken auf eine bewegte Zeit zurück. Menschen also, die wie Alpinisten, Blogger oder Expeditionsleiterinnen vom Unterwegssein, vom Bergsteigen, Klettern, Wandern leben und mit Vorträgen darüber ihr Geld verdienen. Trotz aller Ausfälle und Beschränkungen blicken die Frischluftexperten gelassen-zuversichtlich in die Zukunft. Outdoor Society hat bei fünf Insidern nachgefragt.


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Michi Wohlleben, Alpinist

Michi Wohlleben gehört zu Deutschlands besten Alpinisten. Der 30 Jahre alte Profikletterer lebt mit seiner Familie in einer Schweizer Gemeinde an der Grenze zu Österreich. „Corona hat mich anfangs verunsichert: Gesundheit, Familie, die wirtschaftliche Situation, kaum Trainingsmöglichkeiten ...“

Über die Monate konnte sich der Allrounder mit der Ausnahmesituation arrangieren und zieht eine positive Bilanz: „Ich habe 2020 keine Reise, keine Expedition unternommen, dafür viel Zeit mit der Familie verbracht, außerdem Yoga, die Freude am Gärtnern für mich entdeckt und ein berufsbegleitendes Studium zum Physiotherapeuten begonnen.“

Auch sportlich lief es gut: „Ich konnte an der Dreifaltigkeit im Alpstein eine ziemlich schwere Erstbegehung realisieren, 2021 möchte ich sie frei klettern. Ein perfektes Projekt in dieser schwierigen Zeit, mehr oder weniger meiner Haustür.“ Mit dem gezielten Aufbautraining für derart kraftraubende Projekte hat der Kletterprofi bereits begonnen. Wobei Wohlleben zudem kürzlich die zweite Wiederholung der sehr schwierigen und selten gewachsenen Eislinie „Come on Baby“ im Brunnital gelungen ist. „Nach einem derart anspruchsvollen Unterfangen ist es schwer, den Kopf sofort wieder für das nächste Projekt freizubekommen.“

2021 werde sich Wohlleben neben Kletterprojekten in den nahen Alpen auch auf sein Studium konzentrieren und ein Haus renovieren, das er mit seiner Frau gekauft hat: „Es gibt viel zu tun, langweilig wird 2021 garantiert nicht.“ Für die Idee, Publikumsvorträge in die digitale Welt zu transferieren, kann sich Wohlleben nicht wirklich begeistern: „Dann gehe ich lieber als Bergführer mit Kunden in die Berge.“

Sein Learning aus den letzten 12 Monaten: „Abenteuer vor der Haustür können richtig spannend sein. Man muss dafür nicht nach Alaska.“ Eine erfreuliche Folge der coronabedingten Verbote: „In meiner Region wächst aufgrund der Einschränkungen die Kletterszene enger zusammen. Man trifft sich zu Hause, trainiert miteinander, trinkt ein Bier und schätzt die wenigen Kontakte, die man hat.“

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Birgit Lutz, Arktis-Expertin und Autorin

Wenn Arktis-Expertin Birgit Lutz auf 2020 zurückschaut, war das Jahr eine einzige Achterbahnfahrt. Um Lutz kurz einzuordnen: Die 46-jährige, mehrfach ausgezeichnete Journalistin war schon 15 Mal am Nordpol, lebt mit ihrem Mann am Schliersee und verdient ihr Geld als Vortragsrednerin, Expeditionsleiterin und selbstständige Autorin: „2020 war anfangs schwierig. Ich hatte 100%-igen Umsatzausfall und über Monate keinerlei Einnahmen, weil alle meine Lesungen, Vorträge und Reisen abgesagt wurden.“

Für 2021 will Birgit Lutz die Richtung selbst vorgeben: „Abwarten kommt für mich psychisch und finanziell seit Herbst 2020 nicht mehr in Frage. Ich wollte nicht mehr zum Reagieren verdammt sein und endlich wieder agieren. Deswegen habe ich beschlossen, dass ich für 2021 nicht mit Reisen rechne und angefangen, Zoom-Vorträge zu halten, die sehr erfolgreich sind.“

Lutz hat gemeinsam mit ihrem Kollegen Rolf Stange den „Arktischen Mittwoch“, eine digitale Vortragsreihe ins Leben gerufen. Schwerpunktthemen aus der Arktis: Eigene Skitouren, historische Expeditionen, Ökologie, Plastikverschmutzung, Entstehung des Meereises etc. Das Echo ist großartig: „Wir haben uns einen wunderbaren Zuschauerkreis erarbeitet, für den dieser Mittwoch genauso wichtig ist wie für uns, in diesen Zeiten.“

Zudem hat Lutz im Herbst zwei Buchkonzepte erarbeitet und nun zwei Buchverträge in der Tasche. „Außerdem habe ich verschiedene Schreib-Projekte, für die ich nirgendwo hinfahren muss.“ Ein wenig Hoffnung bleibt: „Einzig mit einer wissenschaftlichen Expedition in Spitzbergen rechne ich noch ein bisschen - da stehen die Chancen etwas besser, dass sie vielleicht doch stattfinden kann. Ansonsten arbeite ich zuhause und finde das jetzt auch prima.“

Erkenntnis nach einem turbulenten Jahr mit Corona: „Ich bin stärker geworden. Weil ich die Krise ohne einen einzigen Cent vom Staat gemeistert habe.“ Das habe die 46-Jährige zwar nachhaltig enttäuscht, ihr aber gezeigt, dass sie kämpfen und gerade in schwierigen Zeiten kreativ sein kann: „Ich glaube, dass mich das nachhaltig prägen wird.“

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Stefan Glowacz, Kletterer

Kletterlegende Stefan Glowacz kann „die Zeit der Pandemie trotz aller Beschränkungen auch genießen.“ Vor dem Hintergrund dass der Profisportler 2018 und 2019 jeweils monatelang auf Expedition in Grönland war, tat ein Jahr Pause auch mal gut: „Das erste Corona-Jahr habe ich im Rückblick gewissermaßen gebraucht, um zu Hause zur Ruhe zu kommen, neue Motivation für spannende Projekte zu schöpfen.“

Wobei nicht nur Entspannung auf dem Programm stand. „Ich hatte traumhafte Klettertage in der Umgebung. Mal im Wettersteingebirge, mal in Berchtesgaden, konnte zu Hause viel trainieren“

Konkrete Pläne für 2021? „Es treibt mich wieder in die Ferne, wobei sich dieser Begriff ja gewaltig relativiert hat. Bei meinem diesjährigen Großprojekt bleibe ich meiner by fair means Devise treu.“ Mehr möchte der Profisportler heute noch nicht verraten. Außer: „Diese mehrwöchige Unternehmung ist jederzeit durchführbar, unabhängig von coronabedingten Einschränkungen.“

Als Profisportler, der unter anderem von Vorträgen und Sponsoring lebt, ist die Situation herausfordernd. Ganz unabhängig von den finanziellen Einbußen über abgesagte Vortragstermine freut sich Glowacz auf hoffentlich baldige Lockerungen: „Ich vermisse die Bühne, den direkten Austausch mit meinem Publikum.“ Der Vortrag „Faszination Grönland“ jedenfalls ist fertig. „Sobald die Vortragsveranstalter wieder startklar sind, bin ich es auch.“

Sein Learning nach einem Jahr der Pandemie: „Mein Leben muss nicht ständig auf der Überholspur stattfinden, jeder Tag mit Terminen und Telkos vollgepackt sein.“ Innehalten fiel dem Abenteurer, der mit seiner Frau am Starnberger See lebt, anfangs schwer.

Aktuell arbeitet Glowacz am finalen Feinschliff eines Filmprojektes: „Am 01.03. wird auf Servus TV in der Reihe Bergwelten meine Doku über die beiden Grönland Expeditionen ausgestrahlt.“ Glowacz, der auch als Unternehmer im Outdoorbusiness tätig ist, freut sich außerdem auf die erste ISPO Munich nach Corona: „Die virtuelle, digitale Welt kann erstaunlich viel leisten, aber den direkten Austausch mit Kunden und Kollegen nicht ersetzen.

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Thomas Huber, Kletterer

„Auf Expeditionen haben wir gelernt, das Beste aus der jeweiligen Situation zu machen“, sagt Thomas Huber (im Bild links neben seinem Vater sowie Bruder Alexander). 2020 lief entsprechend anders, aber im Rückblick gut. „Wir sind im Berchtesgadener Land zu Hause und hier gibt’s richtig gute Wände. Wände, denen wir bisher kaum Beachtung schenkten, weil wir ständig unterwegs waren.“ 2020 war alles anders: „Jetzt hatte auch Alexander Zeit und wir realisierten zwei Traumrouten, den „Sonnenkönig“ am Untersberg und „Siete Venas“ am Hohen Göll.“

Die Huberbuam als legendäre Seilschaft im Lockdown vereint: „Eine derart intensive Zeit als Brüder hatten wir letztmalig in unserer Jugend.“ Das emotionalste Erlebnis: „Mit unserem 81-jährigen Vater über den Salzburger Weg durch die Watzmann Ostwand!“

Sein aktuell größtes Projekt für das Jahr 2021 ist die Fertigstellung seines Buches, eine Art Lebensgeschichte: „In den Bergen ist Freiheit“. Thomas arbeitet ohne Ghostwriter, schreibt also jede Zeile selbst. Zudem planen die Huberbuam gemeinsam die Erstbegehung an der Eiger Nordwand abzuschließen, die sie im Herbst 2020 abbrechen mussten. „Wir trainieren eifrig unsere Finger, damit wir die Projekte, die wir noch vorhaben, abschließen können, bevor uns sportklettertechnisch das Alter überholt.“ Was wäre so ein ewiges Projekt? „Unsere Route „Karma“ an der Steinplatte, die Alexander und ich vor 10 Jahren erstbegangen haben, wartet nach wie vor auf eine Rotpunktbegehung von uns als Seilschaft. Mit jedem Jahr, das wir älter werden, scheinen die Griffe in dieser schwierigen Route (8 c) immer kleiner zu werden, eine echte Herausforderung!“

Persönliche Wünsche für 2021? „Ich hoffe, viel mit meinem Gleitschirmcoach Achim Joost in der Luft sein zu dürfen. Ganz insgeheim hoffe ich auch noch auf eine Expedition im Sommer, vielleicht nach Pakistan.“ Es wäre verfrüht konkret darüber zu reden, denn eines hat Thomas 2020 gelernt: „Man muss bereit sein und ganz spontan entscheiden.“

Wie es mit der Arbeit in der Öffentlichkeit weitergeht? „Im Moment sind wir für diverse TV Beiträge eingeplant, auch der digitale Weg mit den Vorträgen nimmt langsam Fahrt auf.“ Wobei es nach wie vor etwas ungewohnt sei, mehr oder weniger von der Couch aus die Bühne zu betreten. Thomas jedenfalls freut sich, wenn er endlich wieder real vor ein Publikum treten kann, ein Rockkonzert oder die ISPO Munich besuchen kann, u.a. auch "um sich mit Kollegen aus aller Welt auszutauschen und ein Bier zu trinken. Ohne Masken.“ 

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Fräulein Draußen, Wander-Bloggerin

Kathrin Heckmann ist „Fräulein Draußen“, Deutschlands bekannteste Wander- Bloggerin. Das Home-Office der gebürtigen Poingerin ist die Natur. Wie die Outdoor-Influencerin 2020 erlebt hat? „Der erste Schock saß als selbstständige Bloggerin tief, etliche Aufträge wurden abgesagt. Rückblickend lief mein Jahr beruflich aber ok.“#

Was „Fräulein Draußen“ genossen hat? „Die Ruhephasen und zahlreichen Outdoor-Abenteuer vor der Haustür.“ Zudem ist 2020 Heckmanns erstes Buch erschienen: „Fräulein Draußen: Wie ich unterwegs das Große in den kleinen Dingen fand“.

Pläne für 2021? „Nachdem ich in den letzten Jahren viel in der weiten Welt unterwegs war, wächst schon länger der Wunsch, meiner unmittelbaren Umgebung mehr Aufmerksamkeit zu widmen.“ Ideen gibt’s genug. Vorteil Freelancer: „Ich bin ziemlich flexibel und spontan. Die ruhigeren, reisefreien Lockdown-Monate sind für mich eine gute Möglichkeit, um meinem Blog und meinen Social Media-Kanälen verstärkt mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Neuer Content entsteht auch ohne Fernreisen.“

Was konnte Heckmann aus der Zeit mit Corona lernen? „Dass es als Selbstständige wichtig ist, sich nicht nur auf eine Einkommensquelle zu verlassen.“ Zu gerne hätte Kathrin Heckmann auch wie jedes Jahr die ISPO Munich besucht: Ich finde Fachmessen wie die ISPO toll, weil ich dort Kollegen/innen und (potenzielle) Kooperationspartner persönlich treffen kann, die ich sonst nur per E-Mail oder über Instagram kenne. Gerade für mich als Solo-Selbstständige, die primär online arbeitet, ist das immer eine richtig gute Möglichkeit, die ich gerne nutze. Natürlich bieten auch virtuelle Messen viele Chancen, ich hoffe aber sehr, dass „normale“ Veranstaltungen bald wieder möglich sein werden.

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