INTERVIEW | 23.11.2022

„Wir bieten unseren Kunden nur Lösungen an, die Wert stiften.“

Christoph Mangelmans, Managing Director Consumer Products & Digital Services bei FIEGE
23.11.2022

FIEGE zählt zu den führenden Logistik-Dienstleistern in Europa. Das familiengeführte Unternehmen aus Greven ist seit 1873 auf dem Markt und bietet seine modularen Omnichannel-Lösungen global an. Welche Services das Unternehmen für die Sportbranche bereithält, haben wir mit Christoph Mangelmans, Managing Director BU Consumer Products & Digital Services bei FIEGE, besprochen.

ISPO: Herr Mangelmans, auf der Internetseite von FIEGE werden bei der Darstellung der Führungspersonen jeweils deren Lieblingssportarten zusätzlich aufgeführt. Was sagt diese Darstellung über das Unternehmen aus?

Christoph Mangelmans: Es sagt ganz viel darüber aus, was für einen hohen Stellenwert Sport für das Unternehmen FIEGE hat. Das muss dabei gar nicht unbedingt die sportliche Betätigung an sich sein, sondern es geht auch um die Werte des Sports. Teamgeist wäre hier als Eigenschaft zu nennen. Themen, welche unsere Führungspersonen in den Leadership übernehmen. Auch für unsere interne Struktur ist dies wichtig: Wie gehen wir miteinander um, wenn wir versuchen, unsere Ziele zu erreichen?

Sport ist bei uns omnipräsent. Insbesondere das Thema Fußball als übergreifendes Element. Einmal im Jahr veranstalten wir den FIEGE Soccer Cup. Dort kommen bis zu 3.000 Menschen aus allen Standorten der Firmengruppe zusammen und machen daraus ein Familien-Event. All dies zeigt: Am Ende geht es nur gemeinsam. Sport ist ein verbindendes Element, welches ganz stark in unser Unternehmen ausstrahlt.

ISPO: FIEGE ist bereits sehr lange als Logistiker auf dem Markt. Über die ganzen Jahre haben sich Herausforderungen ganz sicher immer wieder verändert. Gibt es etwas, was sich für ein Unternehmen in Ihrer Branche über den gesamten Zeitraum nie verändert hat? Etwas, dass immer wichtig ist, um am Markt bestehen zu können?

CM: Unter dem Strich kommt es immer auf die Menschen an. So war es schon immer und so wird es auch bleiben. Und so sehr wir uns auch in Richtung KI und Automatisierung bewegen werden, es wird immer auf die persönliche, menschliche Komponente ankommen. Das ist für mich ein wahrhaft strahlendes Element. Es geht nicht darum, der schnellste Packer zu sein oder die tollsten Konzepte zu haben. Am Ende werden immer die besten Menschen benötigt.

ISPO: Betrifft dies auch den Kernwert des Unternehmens FIEGE?

CM: Der Kernwert ist die Familie und hier vorrangig die Werte einer Familie. Das beinhaltet für FIEGE: Zusammenhalt, kontrovers diskutieren, auch mal streiten und danach wieder vertragen. Bildlich gesprochen trifft man sich immer am Küchentisch wieder, isst etwas zusammen und hat gute Laune.

ISPO: Die globale Wirtschaft steht allgemein vor großen Herausforderungen. Das betrifft Unternehmen wie FIEGE genauso wie Ihre Kunden. Damit Handel und Industrie reibungslos funktionieren können, was sind aus Ihrer Sicht als Logistiker aktuell die größten Herausforderungen?

CM: Das beginnt zunächst bei den Changes beim Thema Sourcing. Lieferketten haben sich grundlegend verändert. Viele der Unternehmen produzieren in Asien. Aufgrund der anhaltenden Schwierigkeiten stellen sich diese Unternehmen vermehrt die Frage, was nach Deutschland oder Europa verlagert werden kann und wie es dort um die Strukturen bestellt ist. Wir haben bereits vor der Pandemie einen anderen Weg gewählt und stetig die Lagerstrukturen in Europa erweitert. Damals hat man uns vielleicht belächelt.

ISPO: Was genau wurde belächelt?

CM: Nun, jeder wollte Lagerkapazitäten in Europa reduzieren und Bestände senken, eben weil alles in Asien produziert wurde. Dort wurde dann zwischengelagert und anschließend nach Europa geliefert und verschickt. Durch die aktuelle Disruption der Lieferketten beginnen die Firmen nach und nach sogar Teile der Produktionen nach Europa zu verlagern. Insofern hat ein Lager heutzutage einen viel höheren Stellenwert, als es diesen in der Vergangenheit hatte.

CM: Absatz-Kanäle haben sich in den vergangenen Jahren extrem verändert. Von einem klassischen Angebotsmarkt hin zu einem Nachfragemarkt, in dem Kunden mehr Einfluss bekommen haben. Zum Vergleich: Früher haben Konsumenten das gekauft, was die Firmen, die Produzenten, angeboten haben. Das ist heute ganz anders.

Auch das Thema Vertriebskanäle hat sich verändert. Heute gibt es eine Vielzahl an Brands, die unheimlich viele Kanäle nutzen können. Social Commerce ist hinzugekommen, Marktplätze ebenso. In diesem Zusammenhang sind Omni-Channel-Lösungen zu nennen. Eine zusätzliche Herausforderung ist es, in all dem Trubel die Übersicht zu behalten, um als Produzent von Sportartikeln den richtigen Kunden im richtigen Segment zu finden. Das stellt entsprechend große Ansprüche an die Logistik.

ISPO: Zusätzlich belastet Lieferstau die Sportbranche. Waren stecken fest, werden verspätet ausgeliefert. Was glauben Sie, wie lange wird es noch dauern, bis sich der Warenverkehr wieder normal bewegen wird?

CM: Darüber lassen sich tatsächlich keine verbindlichen Aussagen treffen. Es ist, auch wenn es sich seltsam anhört, tatsächlich mehr Glauben als Wissen. Insofern glauben wir, dass diese Situation auf jeden Fall noch die nächsten zwölf Monate anhalten wird. Diese Meinung spiegelt gesammelte Eindrücke aus der Branche wider. Es bleibt in jedem Fall eine große Herausforderung für viele Unternehmen.

ISPO: Wie kann ein Logistiker Sportbrands dabei unterstützen, benötigte Teile und Produkte schneller von Asien nach Europa und Deutschland zu befördern?

CM: Es gibt verschiedene Wege. Wenn am Ende die Zeit nicht ausreicht, um es auf einem Schiff zu transportieren, können Sachen geflogen werden. Das ist aber ungleich teurer und zudem nicht nachhaltig. Das, was wir aktuell in Europa anbieten, sind Overflow Warehouses. Da Firmen dazu übergegangen sind, nicht mehr Just-in-Time zu liefern, holen wir als Logistiker die Ware für den kommenden Sommer nicht erst im November oder Dezember, sondern deutlich früher. Das bedeutet: Wir müssen Lagerkapazitäten schaffen, um diese Ware in Europa zu puffern, bevor wir sie dann in die eigentlichen Distributionszentren umgelagert wird. Die große Herausforderung ist es, Ware für Kunden verfügbar zu machen.

ISPO: Welche Logistik-Lösungen bietet FIEGE für Hersteller und Händler?

CM: Big Data und Datenanalyse spielen in unserem Portfolio eine große Rolle, um Supply Chain-Analysen durchführen zu können, um möglichst genaue Vorhersagen treffen zu können. Das sind Themengebiete, in denen wir stark sind und die wir unseren Kunden anbieten. Gerade in Bezug auf Transportkapazitäten sind Vorhersagen essenziell wichtig. Genaue Vorhersagen über Datenmanagement und Datenanalyse zu treffen, ist eines der Schwerpunkt-Gebiete, in die wir in der Vergangenheit massiv investiert haben.

ISPO: Welche weiteren Services bietet FIEGE seinen Kunden an?

CM: Wir versuchen, für unsere Kunden die beste Commerce Solution zu finden. Zum einen ist da die klassische Logistik, Warenannahme, die Lagerung und das Verschicken von Ware. Ob in stationäre Kanäle oder direkt in den Marktplatz, wir betreuen beides. Es gibt aber auch den Weg vom Lager zum Endkunden über D2C. Wir unterstützen unsere Kunden zudem dabei, all die Themenfelder abzudecken, die sich digital abspielen. Dafür können wir Ordermanagement- oder Debitorensysteme aufsetzen.

Und es gibt einen dritten Bereich: Wenn wir Kunden haben, die auf dem europäischen Kontinent an Endverbraucher verschicken wollen, dann übernehmen wir deren Paket-Distribution. Diese übernehmen wir jedoch nicht physisch, sondern orchestrieren diese über Europa verteilt. Wir wählen für jedes Land den besten Carrier im Ausland, aber auch den besten Carrier in der Retoure aus, sodass die Brand dort das beste Preis-Leistungs-Verhältnis in Europa erzielen kann.

Wir bieten unseren Kunden modulare Lösungen an, Logistik von A bis Z – und das meinen wir auch so. So können unsere Kunden sich individuelle Lösungen anhand ihrer Bedürfnisse zusammensetzen. Wie in einem Baukasten. Die beste Lösung für die jeweilige Situation, ob nur das Shipping-Modul, das Management-Modul oder eine komplette Omnichannel-Logistik. Alles ist frei wählbar. Wichtig ist dabei: Wir bieten nur Dinge an, die einen Mehrwert haben. Ergibt ein Modul in der Supply Chain keinen Mehrwert, machen wir es nicht.

ISPO: D2C ist weiterhin stark auf dem Vormarsch. Wo sehen Sie Chancen für Unternehmen, die diesen Weg konsequent gehen?

CM: Convenience ist aus meiner Sicht der wichtigste Punkt. Ein Konsument möchte glücklich sein. Egal wo, er möchte das beste Kauferlebnis haben. Das kann im Laden sein, es kann aber auch sein, dass er sich im Laden informiert, dann jedoch online kauft. Eine Brand sollte dem Kunden die beste Convenience liefern, die er erfahren möchte. Es gibt jedoch nicht die eine klar festgelegte Convenience, sondern das Thema ist immer individuell zu behandeln.

ISPO: Wenn Sie einen Blick in die Zukunft wagen, wie wird sich der Markt, wird sich die Sportbranche aus Ihrer Sicht verändern?

CM: Der Markt wird sich immer stärker von einem Angebot zu einem Nachfragemarkt entwickeln. Das bedeutet auch, dass die Themen, die Endkunden und Kunden bewegen, wie beispielsweise Nachhaltigkeit, schnelle Verfügbarkeit oder Convenience, die Themen sein werden, die Treiber sind. Auf diesen Wechsel muss eine Antwort gefunden werden. Gerade das Thema Nachhaltigkeit nimmt rasant an Bedeutung zu in der Sportbranche. Und an dieser Stelle müssen und wollen wir mit unseren Kunden eng und partnerschaftlich zusammenarbeiten und nach guten Lösungen suchen. Unser Ziel dabei ist klar definiert: Unsere CEOs Jens und Felix Fiege wollen das Unternehmen nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, sondern auch klimaneutral an die nächste Generation übergeben.

Eine ganz zentrale Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität wir die letzte Meile spielen. Welche Fahrten sind vermeidbar, um Pakete auszuliefern? Auch Retouren sind natürlich ein riesiges Thema. Nicht nur, weil diese hohe Kosten verursachen, auch in Bezug auf Nachhaltigkeit spielen sie eine entscheidende Rolle. Bei jedem Paket, was heute rausgeht, liegt die Retourenquote meist bei den berühmten 50 Prozent. Hier werden Vermeidungsstrategien benötigt. An dieser Stelle kommt der Fachhandel wieder ins Spiel. Kunden könnten eine Retoure auch im Fachhandel zurückgeben. All diese Herausforderungen gilt es jetzt anzupacken. Es ist eine sehr spannende Zeit und wir würden diese gerne mit unseren Lösungen mitgestalten.

Zur Person

Name: Christoph Mangelmans (39)

Der Vater von zwei Söhnen ist Managing Director BU Consumer Products & Digital Services bei FIEGE und in dieser Position Experte für Omnichannel-Logistik (B2B, B2C und D2C) und digitale Services im eCommerce. Seine Branchenschwerpunkte liegen in Fashion und Consumer Products. Über seine beruflichen Expertisen hinaus ist Christoph Mangelmans leidenschaftlicher Marathonläufer und Aufsichtsratsmitglied beim SC Preußen Münster.

Autor:
Ralf Kerkeling