
Mike Schragger ist Gründer und Direktor der Sustainable Fashion Academy (SFA), die Unternehmen und Organisationen strategische Beratung bietet: komplette Schulungspakete und maßgeschneiderte Lösungen, einschließlich Online-Optionen. Er ist zudem Vorsitzender von The Global Leadership Award in Sustainable Apparel (GLASA).
Interview mit Mike Schragger
ISPO.com: Herr Schragger, wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Geschäftspartner mehr Zeit und Geld darauf verwendet, das Image seines Unternehmens „grün anzumalen“, als tatsächlich daran zu arbeiten, die Umweltauswirkungen zu minimieren?
Michael Schragger: Wir arbeiten gar nicht erst mit Unternehmen zusammen, die sich nur ein grünes Mäntelchen umhängen, denn das ist nicht gut fürs Geschäft. Es gibt echte wirtschaftliche Gründe, in nachhaltige Praktiken zu investieren; so zum Beispiel die Minimierung von Regulations- und Reputationsrisiken, die Verbesserung der Kosteneffizienz und die Erschließung neuer Marktsegmente. Mit Greenwashing erreicht man KEINE Geschäftsvorteile, die ein nachhaltiger Ansatz automatisch mit sich bringt. Stattdessen wird das Unvermeidliche aufgeschoben und der Ruf des Unternehmens aufs Spiel gesetzt.
Nachhaltigkeit scheint das Modewort der Fashion- und Sportbranche zu sein. Wie bewerten Sie die Entwicklung der Bemühungen in diesem Sektor?
In manchen Kreisen mag es vielleicht nur ein Modewort sein, aber die Fakten legen nahe, dass viele der Kernprobleme – Bevölkerungswachstum und das Wachstum der Mittelschicht, Umweltzerstörung und Ressourcenverknappung – Makrotrends sind, die uns noch lange begleiten werden. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Bewusstsein der Mode- und Sportbranche hinsichtlich der Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft erheblich verbessert. Als Reaktion darauf entstehen gerade wichtige Initiativen.
Können Sie das bitte etwas näher erläutern?
Es entwickeln sich neue weltweite Plattformen für gemeinsame Standards (wie dem Higg-Index), das Interesse an der Entwicklung neuer Materialien sowie Färbe- und Finishing-Verfahren, die viel umweltfreundlicher sind, wächst, und Technologien und Prozesse, die auf einen geschlossenen Materialkreislauf abzielen, erhalten mehr Aufmerksamkeit. Es wird verstärkt in sie investiert, das bedeutet: Wiederverwertung und Recycling stehen im Fokus.
Einige der bekanntesten Marken und Einzelhandelsunternehmen haben bekanntgegeben, dass sie ehrgeizigere und anspruchsvollere Nachhaltigkeitsstrategien verfolgen. Daraus folgt, dass die Messlatte in der Branche höher gehängt wird.
Was das Soziale angeht, haben außerdem Vorfälle wie die Tragödie im Rana Plaza (im April 2013 stürzte eine Textilfabrik in Bangladesch ein, bei dem Unglück starben über 1100 Menschen, Anm.d.Red.) mehr Akteure wachgerüttelt und dazu veranlasst, grundlegende Probleme wie Gesundheit, Sicherheit und existenzsichernde Löhne anzugehen. Von den Marken und Einzelhändlern wird nun mehr und mehr erwartet, dass sie die Verantwortung dafür übernehmen, was in ihrer Lieferkette passiert.

Gründe für „Nachhaltigkeitsboom“
Was sind die wichtigsten Antriebsfaktoren für das wachsende Interesse der Bekleidungsindustrie am Thema Nachhaltigkeit?
Es gibt eine Reihe von Beweggründen, die für diesen regelrechten Nachhaltigkeitsboom in der Bekleidungsbranche verantwortlich sind. Dazu gehören:
- Die Materiallücke: Aufgrund einer wachsenden globalen Mittelschicht wird die Nachfrage nach Bekleidung und Mode steigen, während der Zugang zu Materialien allenfalls stagnieren wird.
- Umweltzerstörung und Ressourcenverknappung: Nicht nur der Klimawandel stellt ein Problem für die Bekleidungsindustrie dar, sondern auch Wasserknappheit: Prognosen zufolge werden bis zum Jahr 2030 mehrere Milliarden Menschen in extrem wasserarmen Regionen leben – dies bedeutet eine viel unmittelbarere Bedrohung. Unsere Industrie ist davon abhängig, Zugang zu Wasser zu haben.
- Erwartungen und Druck seitens der Investoren: Für Investoren spielt das Thema Nachhaltigkeit bei ihren Investitionsvorhaben eine immer größere Rolle, weshalb sie sehr konkrete Fragen stellen.
- Erwartungen der Mitarbeiter: Die Millennials und andere derzeitige und künftige Mitarbeiter möchten für Unternehmen arbeiten, die Positives bewegen – nachhaltige Unternehmen können leichter Mitarbeiter rekrutieren und langfristig halten.
- Gesetzliche Bestimmungen: Die Regierungen verlangen zunehmend Maßnahmen bezüglich ökologischer Ausrichtung, Wasserverschmutzung und Transparenz.
- Kritische Beobachter: Diese Gruppen werden immer vielschichtiger und können Ihr Unternehmen in den Abgrund stürzen, wenn Sie sich bei Ihren Nachhaltigkeitsbestrebungen Fehler erlauben.
Eine Kernkompetenz der SFA ist die Weiterbildung und Schulung von Marken und Einzelhändlern. Können Sie uns etwas mehr über das Webinar erzählen, das Sie in Zusammenarbeit mit der ISPO Academy entwickelt haben, und den Nutzen, den es den Unternehmen bietet?
Die SFA berät Unternehmen hinsichtlich deren Nachhaltigkeitspraktiken. Weiterbildung und Schulung zählen zu unseren Kernkompetenzen. Wir bieten fertige Schulungspakete und maßgeschneiderte Lösungen, einschließlich eines Online-Angebots.
Wir haben beispielsweise den ersten Online-Kurs für Marken und Einzelhändler entwickelt. Er heißt „The Sustainability Fundamentals“. Bis heute haben mehr als 1000 Fachleute, die für einige der weltweit bekanntesten Marken und Einzelhändler tätig sind, an dem Kurs teilgenommen.
Übrigens erhalten ISPO.com User 20 Prozent Rabatt auf die Teilnahmegebühr. Der nächste Kurs startet am 29. Januar 2018.

„Der Kurs hat den Unternehmen geholfen“
Welche Rückmeldungen erhalten Sie zu Ihren Kursen?
Wir sind sehr froh darüber, dass uns die Teilnehmer bestätigen, dass unser Konzept funktioniert. So durften wir erfahren, dass unsere Kurse...
- den Unternehmen geholfen haben, innerhalb der traditionellen Abteilungen notwendige Diskussionen zu den Nachhaltigkeitspraktiken ihres Unternehmens anzuregen;
- die Unternehmen dabei unterstützt haben, eine abteilungs- und funktionsübergreifende Sprache zum Thema Nachhaltigkeit zu etablieren;
- die Grundlage für die Weiterbildung von führenden Mitarbeitern zu Nachhaltigkeitsstrategie, Prioritäten und Erwartungen des Unternehmens gelegt haben;
- das Mitarbeiterengagement erhöht haben;
- Vorschläge von Mitarbeitern hinsichtlich deren eigener Mitwirkung angeregt haben;
- dazu beigetragen haben, neuen und künftigen Mitarbeitern das Engagement des Unternehmens für Nachhaltigkeit näherzubringen.
Aber hören Sie nicht auf mich, sondern auf das, was unsere unsere Teilnehmer selbst sagen:
Åsa Andersson, CR & Quality Manager bei Peak Performance über die SFA:
„Das Kursmaterial ist sehr professionell und deckt die gesamte Produktkette ab. Als kleines oder mittleres Unternehmen kann man etwas Vergleichbares wegen mangelnder Ressourcen und der damit verbundenen Kosten intern gar nicht leisten.
Wir haben den Kurs verschiedenen Abteilungen angeboten, unser Schwerpunkt lag jedoch auf der Design- und Einkaufsabteilung. Jetzt haben 80 Prozent der Mitarbeiter dieser Abteilungen den Kurs absolviert – und wir stellen einen enormen Unterschied bei der Entwicklung neuer Produkte fest. Nachhaltigkeit ist ein zentrales Element und nicht mehr länger nur ein Extra.“
Video: Nachhaltige Sportindustrie