
Mit dem Begriff „künstliche Intelligenz“ hat die IT-Branche ein neues Buzzword in die Runde geworfen. Sie ist der nächste Schritt in der Transformation des Handels, so die Meinung vieler Experten. Doch was ist künstliche Intelligenz und vor allem: Wozu braucht sie der Handel?
KI: Datenbasierte Entscheidungen
Um von künstlicher Intelligenz (KI) sprechen zu können, muss eine Software mehrere Kriterien erfüllen: sie benötigt ein tiefes Fachwissen in dem Bereich, in dem sie eingesetzt wird.
Sie muss selbstständig Schlussfolgerungen in Bezug auf bestimmte Ziele ziehen können, sie lernt fortlaufend aus ihren Erfahrungen und optimiert sich damit kontinuierlich selbst. Idealerweise wirft die Software dann nicht nur Daten aus, sondern ist in der Lage, auf natürliche Art und Weise – zum Beispiel auch durch Sprache – mit Menschen und Systemen zu interagieren.
Das Ziel: Durch den Einsatz von KI soll es möglich werden, datenbasiert bessere und fundiertere Entscheidungen komplexer Zusammenhänge schneller zu treffen und in Echtzeit auf Veränderungen zu reagieren. „Alles, was digitalisierbar ist, wird auch digitalisiert werden“, lautet ein geflügeltes Wort in der IT-Welt. Jetzt ist die Intelligenz dran.
Das Fachblatt IT-Business zitiert eine aktuelle Studie, der zufolge sich bereits mehr als die Hälfte aller befragten IT-Entscheider mit entsprechenden Technologien befassen. Die Verheißungen von KI sind groß und das Ausmaß ihrer disruptiven Kraft ist erst im Ansatz erkennbar.
Chat-Bots und Prognose-Systeme
Zu den bekanntesten Einsatzmöglichkeiten von KI gehören heute sogenannte Chat- und Service-Bots. Das sind intelligente Programme, die zum Beispiel im Live-Chat auf Webshops zu Produktdetails, einer Lieferung oder einer Retoure befragt werden können. Dabei ist inzwischen kaum mehr zu unterscheiden, ob da ein Mensch oder eine Maschine auf die Fragen antwortet.
Eine Anwendung, die gleichermaßen im Online- als auch im Offlinehandel genutzt werden kann, sind intelligente Prognosesysteme. War man bisher nur in der Lage, anhand der Abverkäufe ungefähr vorauszusagen, welche Produkte bei welchen Kunden gut ankommen müssten, so kann man mit KI viel genauere Szenarien entwickeln, anhand derer man den Absatz bestimmter Produkte besser prognostizieren kann.
Im Optimalfall weiß der Händler schon vor dem Kunden, was dieser als nächstes bestellen wird.
North Face und Under Armour testen Watson von IBM
„Watson“, so heißt die KI-Lösung von IBM, die derzeit unter anderem von The North Face und Under Armour im Onlinehandel getestet wird, kann diese Regeln personalisieren und auch externe Daten in Echtzeit hinzuziehen.
„So weiß Watson dann vielleicht, dass ein Produkt A bei schlechtem Wetter besser funktioniert als ein anderes oder dass Produkt B sehr erfolgreich ist bei Personen, die sehr aktiv auf Facebook sind“, erklärt Marilies Rumpold-Preining, IBM Watson Customer Engagement Executive.

„Watson kann schlichtweg eine Fülle von Daten verarbeiten und ist dadurch in der Lage, neuartige Korrelationen herzustellen und neue Ideen zu generieren, auf die selbst ein erfahrener Marketer nicht so schnell kommen würde.“
Hinzu kommt, dass KI auch die Kundenansprache ganz individuell hinsichtlich Inhalt, Frequenz und Kanal gestalten kann. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Fehlersuche in Online-Shops und von Marketing-Kampagnen.
Für Aufsehen sorgte auch die Kooperation von Zalando mit Google im letzten Herbst, die unter dem Namen „Projekt Muze“ gestartet wurde. Beide wollen mittels KI individuelle Fashion-Looks entwickeln, die genau auf den Nutzer zugeschnitten sind.
Dabei geht es nicht nur darum, vorhandene Produkte vorzuschlagen, sondern neue zu entwickeln. Bei Under Armour ist die Technologie Basis für die neue Health Box, einem personalisierten Fitness-System, mit dem man das eigene Wohlbefinden messen, darstellen und sogar managen können soll.
Hosenspezialist Alberto nutzt Alexa von Amazon
Wir alle sind es bislang gewohnt, IT-basierte Dienste nur über Bildschirme und Tastaturen zu nutzen. Mit Amazon Echo, dem KI Assistenzsystem von Amazon, wird das nun auch ganz natürlichsprachlich möglich. Auch hier gibt es erste Versuche im stationären Handel.
Der deutsche Hosenspezialist Alberto – im Sportfachhandel vor allem mit Alberto Golf vertreten – nutzt Amazon Echo seit einigen Wochen im neuen Concept-Store in Mönchengladbach. Das Gerät sieht aus wie ein Lautsprecher und reagiert per Zuruf auf den Namen „Alexa“.

„Das Spannende hierbei ist für uns, welche Fragen stellen die Kunden?“ erklärt Marco Lanowy, teilhabender Geschäftsführer des Hosenspezialisten. Alberto erfährt so aus erster Hand, welche Wünsche Kunden haben und wo man Dinge verbessern kann.
Immer wenn Fragen nicht beantwortet werden können, werden neue Antworten im System hinterlegt. So lernt Alexa kontinuierlich hinzu und wird nicht nur für Kunden zu einer intelligenten Wissensdatenbank, sondern auch für das Personal.
Das Gerät kann dabei nicht nur spezifische Fragen beantworten, auf die Alberto eine Antwort vorgegeben hat, es kann auch die Informationen aus dem Internet hinzuziehen. „Die Reaktionen auf Alexa sind sehr positiv“, so Lanowy. Auch der Einsatz sprachgesteuerter Roboter wird im Handel bereits getestet, etwa bei Saturn.
Jens-Uwe Meyer: Digitalisierung erfordert schnelles Handeln
„Wir leben in einer Zeit der Macher“, sagt Jens-Uwe Meyer, einer der renommiertesten Innovationsvordenker Deutschlands. Nicht langfristige Analysen sind heute gefragt, sondern schnelles Handeln und Ausprobieren.
Manches von dem, was heute ausprobiert wird, besteht vielleicht nicht den Praxistest. Manche Dinge sind ihrer Zeit aber auch nur einen Schritt zu weit voraus. Sie setzen sich später durch, wie jetzt gerade das Thema Virtual Reality. Und natürlich machen auch kognitive Systeme nicht überall Sinn.
Sie sind eine zusätzliche Möglichkeit um bessere Entscheidungen zu treffen. Das kann interessant sein für Konsument und Handel.