
Was beim Lesen von Stellenanzeigen wichtig ist und worüber sich Bewerber vor dem Abschicken der Unterlagen klar werden sollten, erklärt Bewerbungs-Coach Gunther Schnatmann:
1. Einer der ersten Bewerber sein!
Ein Bewerbungsprozess im Unternehmen kann sich hinziehen. Oft geht es aber auch ganz schnell. Wer sich also früh bewirbt, kann bei passendem Profil gleich in die erste Runde der Vorstellungsgespräche hineinkommen.
Umgekehrt sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit mit der Zeit. Dann steht die Anzeige zwar noch im Stellenmarkt, aber vielleicht nur deshalb, weil der passende Bewerber aus der ersten oder zweiten Runde noch nicht unterschrieben hat.
Also: Immer schauen, welche Anzeigen aktuell erschienen sind, ob sie noch nicht älter als zwei bis drei Wochen sind. Bei älteren Anzeigen empfiehlt es sich, beim Unternehmen telefonisch oder per Mail nachzufragen, ob man mit seiner Qualifikation noch Chancen hat. Natürlich kann es auch sein, dass man nach sechs Wochen genau der richtige Kandidat ist, auf den die Personalverantwortlichen gewartet haben.
2. Ganz genau auf die Mindesterfahrung schauen
Ob sich eine Bewerbung überhaupt lohnt, hängt stark von der Berufserfahrung ab, die in einer Ausschreibung gefordert ist. Ältere und erfahrene Leute brauchen sich eigentlich nicht auf eine Anzeige bewerben, in der „mindestens 1-3 Jahre Berufserfahrung“ gefordert sind. Das heißt: hier sind Einsteiger gefragt, die jung und hungrig sind. Und kostengünstig.
Umgekehrt verhält es sich, wenn 5 Jahre Mindesterfahrung gefordert sind und man mit 3 Jahren plus Praktika gerade so auf viereinhalb Jahre kommt. Dann sind die Chancen gering.

3. Versteckte Hinweise zur Führungserfahrung herauslesen
Erfahrung in der Mitarbeiterführung ist ab einer bestimmten Hierarchiestufe ein absolut schlagendes Argument.
Oft gibt es aber auch Stellen, bei denen Führungsfähigkeit vorausgesetzt wird, ohne dass dies explizit erwähnt ist. Weil man zum Beispiel die Mitarbeiter nur fachlich führt, oder freie Mitarbeiter einsetzt, die man koordinieren muss.
Wenn also die Positionsbezeichnung „Manager“ ohne den Zusatz „Junior“ ausgeschrieben ist, darf man davon ausgehen, dass hier zumindest eine gewisse Führungserfahrung gefragt ist.
Lesen Sie hier: Karriere-Chancen für Einsteiger und Spezialisten im Sport Business
4. Anforderung bei Sprachkenntnissen nicht unterschätzen
Hier machen die Arbeitgeber besonders schlechte Erfahrungen und sind deshalb sensibel: Bei Jobs mit der Anforderung „fließende“ oder „verhandlungssichere“ Englischkenntnisse müssen diese auch nachgewiesen werden. Verlässt man sich im Bewerbungsgespräch auf seinen England-Sprachaufenthalt vor fünf Jahren kann schnell schief gehen, wenn das Gespräch ins Englische wechselt.
Auch Bewerber, die sagen „Vor dem Job-Antritt mache ich nochmal 2 Wochen Sprach-Crashkurs!“, liegen falsch. Der Kurs ist vorher fällig! Einer Absichtserklärung glaubt der künftige Arbeitgeber selten. Umgekehrt können Leute mit exzellenten Sprachkenntnissen diese gerne in der Bewerbung herausstellen und damit punkten!
5. Wenn ich den Job will, muss ich auch vor Ort leben können
Gerade im Sport Business sitzen nicht alle großen Player in den Metropolen. Ein Klassiker sind die beiden größten deutschen Sportartikelfirmen, Adidas und Puma, in Herzogenaurach, einer Kleinstadt bei Nürnberg. Wer abends Prenzlauer-Berg-Flair möchte, ist dort falsch.
Das heißt: Ich muss mir vorher überlegen, ob ich auch am Ort des Unternehmens auch leben möchte.
Die meisten Unternehmen haben keine große Lust, bei Wochenend-Pendlern deren Montags-Abwesenheit wegen Flugstreiks oder Bahnverspätungen dauerhaft hinzunehmen. Also: Ein klares Bekenntnis zum Arbeitsort in der Provinz oder an einem nicht so freizeitwertigen Industriestandort hilft im Bewerbungsprozess durchaus, den Job zu bekommen.
6. Die technische Komponente nicht unterschätzen
Heute sind immer mehr Jobs technisch orientiert: Für die Vermarktung muss ich auf Kundendatenbanken und Suchmaschinenoptimierung zurückgreifen. Und auch in der Verwaltung müssen Mitarbeiter mit immer neuen Applikationen für SAP und andere Systeme umgehen können.
Hier muss ich als Bewerber wissen: Diese Fähigkeiten werden heute im Bewerbungsprozess sehr stark abgefragt! Wer keine Excel-Tabelle handhaben kann oder nicht in sozialen Netzwerken ist, wird sich auch später im Job schwertun.

7. Bin ich ein Konzern-Mensch?
Viele Bewerber, die von der Uni kommen oder bisher nur in kleineren Firmen oder Agenturen Praktika gemacht und erste Erfahrung gesammelt haben, denken: Ein großer Konzern ist mein Ziel, dort winkt viel Geld und Macht, die Arbeitszeiten sind geregelt.
Falsch! Hier sind die Anforderungen besonders hoch. Nur die Top-Kandidaten werden genommen. Und auf die wartet dann meist eine herausfordernde Aufgabe, mit viel Verantwortung, Stress und internationalen Abstimmungen.
Vor allem müssen in großen Firmen die Hierarchien und Entscheidungswege berücksichtigt werden. Das Ergebnis ist oft größer und toller, die Wege dahin sind aber auch gerne mühsam und ermüdend. Die Mitarbeiter in Startups haben mehr Freiheit, die Umgebung ist nicht so verstaubt, es wird schneller entschieden.
Beide Welten haben Vor- und Nachteile. Darüber muss ich mir aber als Bewerber vorher klar sein! Kann und will ich wirklich in einem Konzern arbeiten? Oder gehöre ich besser in eine kleine flexible Firma. Und danach sollte ich möglicherweise passende Stellenanzeigen auswählen.

8. Lebe ich meinen Job? Oder habe ich meinen Job um zu leben?
„Flexible Arbeitszeiten“ oder die „Bereitschaft zu Einsätzen außerhalb der Kernarbeitszeit“ können in der Stellenanzeige ein gutes Zeichen sein. Man kann sich als Arbeitnehmer seine Zeit frei einteilen, auch mal tagsüber wichtige Erledigungen machen und dafür abends von daheim länger arbeiten.
Oder: Das Mitwirken bei Abendveranstaltungen ist selbstverständlich und an einigen Wochenenden muss man mit anpacken. Gerade in der Sportbranche mit vielen Events an Abenden und Wochenenden kommt das vor. Für den, der seinen Job „lebt“, kein Problem. Gerade im Bereich Event, Verkauf oder Kommunikation sind Zusatzdienste oft obligatorisch.
9. Was will ich? Lernen, aufsteigen, Geld oder eine tolle Marke?
Es klingt einfach, aber jeder sollte sich vor einer Bewerbung das Unternehmen genau anschauen. Und dann analysieren, welche Vorteile ein Job dort wirklich bietet. Ist es eine große Marke mit Strahlkraft, die im Lebenslauf ein Ausrufezeichen setzt?
Oder bekomme ich in diesem Unternehmen eine tolle Ausbildung, mit der ich überall weitere Chancen habe? Oder kommt man in diesem (kleinen) Unternehmen besonders schnell voran, kann auf der Karriereleiter hochkommen? Oder gibt es einfach nur ein Top-Gehalt?
10. Habe ich einen Plan? Und passt der Job da hinein?
Eine Super-Gelegenheit, um bei einem großen Sportartikelhersteller arbeiten zu können, schlägt kaum jemand aus. Aber: Passt der Job auch wirklich in meine Vorstellungen, die ich langfristig vom Arbeitsleben habe?
Jeder Bewerber sollte seine Ziele genau bestimmen und mit der Stellenanzeige vergleichen. Faule Kompromisse machen auf Dauer nicht glücklich. Dann lieber Hände weg von dem Angebot. Und im Gegensatz dazu gezielt Jobs suchen, die genau meinen Zielen entsprechen. Auch wenn die Suche dann länger dauert...
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